Erneut ist es eine große Freude für die HSP-Erkrankten, dass die Fritz Thyssen Stiftung wieder ein Forschungsprojekt zur HSP finanziert. Im 10. Beitrag wurde bereits ein solches Projekt der Fritz Thyssen Stiftung beschrieben, dessen Ergebnisse im 15. Beitrag dargestellt sind.
Beim neuen Projekt geht es nun um eine Forschung von Frau Prof. Dr. Rugarli (Bild links), die an der Universität zu Köln am Thema HSP arbeitet. Sie befasst sich momentan mit der Rolle von Spastin im Zusammenhang mit Lipiden, genau genommen mit dem Lipidstoffwechsel (=Fettstoffwechsel) in den Nervenzellen. Unten die Beschreibung des Projekts, die der Seite der „Fritz Thyssen Stiftung“ entnommen ist. Ein großer Dank erneut an diese Stiftung und natürlich an Frau Prof. Rugarli und ihr Kölner Team. Auch dieses Projekt gehört in den Bereich der Grundlagenforschung. Es wird vermutlich nicht direkt Ergebnisse bringen, die kurzfristig für uns einsetzbar sein werden. Es soll nämlich helfen, wie unten im Text formuliert, „Aufschlüsse über die Entstehungsmechanismen der HSP und insbesondere über eine mögliche Beteiligung des Fettstoffwechsels an dieser Krankheit“ zu gewinnen.
Kurz zum leichteren Verständnis:
- Es wird unten von zwei unterschiedlichen Formen des Spastins, nämlich von M1 und M87 gesprochen. Es ist vielen unter uns noch wenig bekannt, dass unser Gen, das für den Bau des Proteins Spastin verantwortlich ist, mehrere Formen dieses Eiweißes baut. (Man nennt solche Formen „Isoformen“). Es gibt eine lange und eine kurze Form. Beide Formen sind in unserem Körper aktiv, beim Gesunden genauso wie beim HSP’ler. Während bei der langen Form das Ablesen des Gencodes an der Position 1 beginnt, startet die kurze Form bei der Position 87. Deshalb die Bezeichnung M1 und M87. Das führt dazu, dass das lange Spastin aus 616 Bausteinen und das kurze aus 530 Teilen besteht. Neben diesen beiden Isoformen gibt es zwei weitere Proteine, die aus dem Gen Spastin entwickelt werden. Bei diesen beiden Formen wird die Information aus dem Exon 4 nicht ins Protein eingebaut. Um es einfach darzustellen, kann gesagt werden, dass die folgenden vier Formen des Proteins Spastin im Spast-Gen beschrieben sind:
- Die lange Form von der ersten Aminosäure bis zur 616sten (der letzten) Aminosäure
- die verkürzte Form von der 87sten Aminosäure bis zur 616sten Aminosäure
- die erste Form ohne die Aminosäuren 197 bis 228 (das ist die Menge aus Exon 4)
- die zweite Form ohne die Aminosäuren 197 bis 228 (das ist die Menge aus Exon 4)
- Es geht unten im Wesentlichen um die Verbindung von Lipiden [=Lipidtröpfchen (lipid droplets, LDs)] mit dem Spastin, genau genommen mit der langen Form des Spastin. Lipide dienen dem menschlichen Körper in erster Linie zur Energiespeicherung, als Membranbausteine oder zur „Polsterung“ verschiedener Organe. Die Seite „Lipidstoffwechsel“ von DocCheck liefert hier gute Erklärungen. Die medizinische Relevanz dieser Thematik ergibt sich aus der Tatsache, dass die Entstehung zahlreicher Krankheiten maßgeblich mit Abnormalitäten im Lipidstoffwechsel verbunden ist. Zudem sind Einflussmöglichkeiten auf diesen Stoffwechsel bekannt, die damit eventuell eine Therapieoption auch für bestimmte HSP-Formen bilden könnten.
- Weitere Information zu den „lipid droplets“
Zusätzliche Hinweise:
Auch dieses Projekt zeigt erneut, wie intensiv und wie vielschichtig momentan an der HSP geforscht wird. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf den Beitrag „Neues von unseren Forschern aus Tübingen“, in dem unter der Überschrift „Forschung“ / „Spastische Spinalparalyse“ der Lipidstoffwechsel bereits angesprochen ist.
————————–
Unravelling a possible role of spastin,
a protein involved in hereditary spastic paraplegia, in lipid droplets
(Ergänzung Rudi: Klärung der Rolle von Spastin im Lipidstoffwechsel)
Als hereditäre spastische Paraplegie (HSP) bezeichnet man eine Gruppe erblicher neurologischer Erkrankungen, die zu motorischen Störungen und im Laufe von ca. zwanzig Jahren dazu führen, dass Betroffene auf den Rollstuhl angewiesen sind.
——————————————————
Bewilligung: Juni 2012
Laufzeit: 2 Jahre
Fördersumme: 96 Tsd. €
Prof. Elena Irene Rugarli; Zoologisches Institut, Biozentrum Köln, Universität zu Köln
——————————————————
Ausgelöst wird die Krankheit durch Störungen der Transportvorgänge in den Axonen, langen Fortsätzen der Nervenzellen, die u. a. zu den Muskeln führen. Die häufigste Ursache sind Mutationen in einem Gen namens SPAST. Sein Produkt trägt die Bezeichnung Spastin und ist, wie Prof. Elena Irene Rugarli nachweisen konnte, am Auf- und Abbau der Mikrotubuli beteiligt, fadenförmiger Strukturen in den Zellen, die als „Schienen“ für Transportvorgänge dienen. Insbesondere kann Spastin dazu beitragen, dass die Mikrotubuli geschädigt werden. Weiterhin konnte Prof. Rugarli zeigen, dass Spastin in zwei unterschiedlich langen Formen synthetisiert wird. In Nervenzellen kommt vorwiegend die längere Form (Spastin-M1) vor. Spastin-M1, das in Zellkulturen durch gentechnische Manipulationen in besonders großer Menge gebildet wird, verbindet sich mit den Lipidtröpfchen (lipid droplets, LDs), fetthaltigen Körperchen, die in den Zellen physiologische Funktionen erfüllen. Zum Aufbau der LDs in den Zellen tragen zwei Proteine namens Spartin und Seipin bei, deren Gene in mutierter Form ebenfalls Formen der HSP verursachen können.
In dem Forschungsprojekt wird vor dem Hintergrund dieser Kenntnisse genauer untersucht, was die Bindung der mutierten Form von Spastin an die LDs zu bedeuten hat und wie dies zur Degeneration der Nervenzellen beiträgt. Im Einzelnen möchte Prof. Rugarli an geeigneten Zellkulturen sowie an Primärgewebe von Mäusen mit gentechnischen, biochemischen, molekular- und zellbiologischen Methoden folgende Fragen beantworten:
- Welcher Abschnitt der Spastin-Molekülkette ist für die Bindung an die LDs verantwortlich? Handelt es sich um den Teil, der nur in der längeren Form des Proteins vorhanden ist?
- Verbindet sich Spastin nur unter den beschriebenen experimentellen Bedingungen mit den LDs, oder geht es diese Assoziation auch unter natürlichen Bedingungen in normalem Gewebe ein?
- Welche Folgen hat es für die Zellen, wenn man das Gen SPAST gentechnisch inaktiviert? Welche physiologische Funktion hat Spastin demnach in den Zellen?
- Warum wird Spastin in den Nervenzellen zu den LDs dirigiert? Wie verändern sich Entstehung, intrazellulärer Transport und Stoffwechsel der LDs, wenn Spastin fehlt?
Insgesamt möchte die Wissenschaftlerin neue Aufschlüsse über die Entstehungsmechanismen der HSP und insbesondere über eine mögliche Beteiligung des Fettstoffwechsels an dieser Krankheit gewinnen.
Quelle: http://www.fritz-thyssen-stiftung.de/fo … no_cache=1