Physiotherapie bei HSP 10.09.2015
Seit 9 Monaten läuft jetzt mit Unterstützung des Fördervereins für HSP-Forschung die Studie zur Physiotherapie bei HSP. Inzwischen wurden alle Vorbereitungen abgeschlossen, und wir haben einmal mehr gesehen, welchen gigantischen Aufwand eine wissenschaftlich aussagekräftige Studie bedeutet.
Im letzten Bericht hatten wir die Entwicklung eines modularen Therapiekonzepts anhand von Patientenfragebögen und die Austestung an drei Pilotpatienten dargestellt. Um die Studie beginnen zu können, waren dann noch diverse Hürden zu nehmen:
- Die Studie benötigte eine Genehmigung von der hiesigen Ethik-Kommission. Hierzu musste ein dezidierter Ethikantrag geschrieben und eine Patientenaufklärung sowie ein Einverständnisformular erstellt werden.
- Auf Empfehlung der Ethik-Kommission haben wir eine geeignete Wegeversicherung für die Patienten gesucht und abgeschlossen.
- Vor Beginn der Studie wurde das Team der Krankengymnasten für das modulare Therapiekonzept geschult, damit wir ein einheitliches therapeutisches Vorgehen gewährleisten können.
- Eine Randomisierungsliste musste erstellt werden, nach der die Patienten entweder der Therapiegruppe mit dem modularen Physiotherapiekonzept oder der Kontrollgruppe mit einer Fortsetzung der Standardtherapie zugeordnet werden
- Um alle studienbezogenen Daten nach festem Schema erfassen zu können, erstellten wir ein sogenanntes CRF (Case Report Form). Dieses musst mit allen beteiligten Gruppen (Studienassistentin, Studienärzten und Physiotherapeuten) abgesprochen werden.
- Die Unterbringung der Studienpatienten während der mehrtägigen Trainingseinheiten musste so organisiert werden, dass keine großen Wege oder Fahrten zur Therapie anfallen.
- Die vielfältigen Studienuntersuchungen erfordern eine komplexe Logistik, um alle Parameter von der ärztlichen Untersuchung über Spastik-Score, Erhebung der Gangzeiten, physiotherapeutischen Ausgangsbefund und Ganganalyse und Physiotherapie-Scores zu erheben und in einen Ablauf mit wenig Wartezeiten zu bringen.
Die Verschachtelung der Untersuchungen von neuen Patienten mit den Verlaufsuntersuchungen zur Analyse der Therapieeffekte in den vorgegebenen Studienslots stellt eine besondere Herausforderung dar, da auf der einen Seite die Fristen in der Studie einzuhalten sind und auf der anderen Seite private Einschränkungen, Feiertage etc. immer wieder Modifikationen erfordern. Für diese entscheidende Planungsaufgabe konnten wir zum Glück Frau Elke Feil gewinnen, die alle Studientermine koordiniert und auch Studieninteressenten alle Fragen beantwortet (Kontakt siehe unten). Und dann galt es im März noch die physiotherapeutische Studienleiterin zu ersetzen: Frau Koch hat quasi bis zur Entbindung ihrer Tochter die Studie vorangetrieben, hat dann aber den Leitungsstab weitergegeben. Wir sind sehr froh, dass Frau Himmelbach nun die Verantwortung für die Physiotherapie und die praktische Durchführung der Studie übernommen hat.
Nach einem halben Jahr intensiver Vorbereitung konnten wir am 11. Mai glücklich die ersten beiden Studienpatienten begrüßen. Aus unserer Sicht ist das meiste in diesem Projekt bislang so gut gelaufen, wie es in einem komplexen, neu entwickelten Ablauf sein kann. Auf jeden Fall haben alle Patienten große Motivation und Einsatzbereitschaft gezeigt. Dass dann doch einmal Termine nicht passen, ist nur schwer zu vermeiden. Zum Glück hatten wir von vorneherein dafür vorgebaut, dass einzelne Patienten aus der Studie herausfallen könnten. So kann niemand dafür, wenn ein Studienteilnehmer zwischenzeitlich erkrankt oder operiert werden muss und dadurch aus dem Trainings- und Studienplan herausfällt. Das konnten wir bislang alles kompensieren, und wir sind allen Patienten sehr dankbar, die sich zu einer Studienteilnahme bereit erklärt und die erforderliche Zeit und Mühen aufgewandt haben. Denn auch auf Patientenseite ist für die Studie ein großer Aufwand an Zeit und Energie gefordert. Es gilt 5 Fahrten nach Tübingen zu planen, zwei davon mit zwei- bzw. dreitägiger Dauer, viele lange Untersuchungen mitzumachen und bei der Randomisierung womöglich mit der Enttäuschung fertig zu werden, in die Kontrollgruppe gelost zu werden. Denn nur mit einer adäquaten Vergleichsgruppe können wir zeigen, dass das neu entwickelte Konzept wirklich besser ist als das, was jeder Patient als Standardtherapie in unterschiedlicher Form von seinen Physiotherapeuten je nach dessen Erfahrung und Ausbildung angeboten bekommt. Wer zur Trainingsgruppe zugelost wird, muss bereit sein das individuell angepasste Training an 6 Tagen die Woche selbständig durchzuführen. Wir beobachten durch die Bank bei allen Studienteilnehmern eine eindrucksvoll hohe Einsatzbereitschaft, die wiederum auch uns anspornt.
Inzwischen haben wir 15 Patienten in die Studie einschließen können. Die ersten vier Patienten haben auch bereits die Kernphase der Studie beendet, trainieren aber hoffentlich in Eigenregie fleißig weiter. Denn nach 6 Monaten wird bei allen noch der „Langzeiteffekt“ evaluiert. Dann ist zwar die Studie abgeschlossen aber nicht das Übungsprogramm. Denn Physiotherapie verlangt kontinuierliches Training, das nicht mit der Studie beendet ist. Wer aber durchhält, wird – so können wir hoffentlich am Ende mit dieser Studie zeigen – mit verbesserter Beweglichkeit belohnt!
Über die bisherigen Anmeldungen hinaus, benötigen wir noch ca. 25 weitere Patienten, um die Studie erfolgreich abschließen zu können. Hier hoffen wir auf die Unterstützung von allen Seiten und auf Ihre Initiative. Bei wem dieser Bericht Interesse geweckt hat, kann sich gerne unter der u.g. Adresse bei uns melden. Noch sind genügend Plätze frei!
Um keine zu uneinheitliche und dann letztlich nicht mehr vergleichbare Patientengruppe zu untersuchen, müssen die Teilnehmer neben der Diagnose einer HSP folgende Einschlusskriterien erfüllen:
- Erhaltene Gehfähigkeit (ggf. auch am Rollator) für 100m in weniger als 3 Minuten
- Keine Behandlung mit Botulinumtoxin oder eine funktionellen Elektrostimulation in den letzten 3 Monaten
- Schriftliches Einverständnis zu dieser randomisierten (zufällig zugeordneten) Untersuchung, bei der nur die Hälfte der Teilnehmer das Tübinger Spastiktherapiekonzept erhält und die andere Hälfte ihre bisherige Behandlung unverändert fortsetzt.
Für die Studie sind 5 Besuche in Tübingen erforderlich
- Ausgangsuntersuchung mit anschließender Randomisierung also Zuordnung zur Physiotherapiegruppe oder Standardkontrollgruppe
- Erste Behandlungsphase (3 aufeinanderfolgende Tage in Tübingen) ein bis zwei Wochen nach der Ausgangsuntersuchung
- Zweite Behandlungsphase (2 aufeinanderfolgende Tage in Tübingen) zwei Wochen nach der ersten Behandlung
- Abschlussuntersuchung 10 Wochen nach der ersten Behandlung
- Untersuchung für Langzeiteffekte: 6 Monate nach der ersten Behandlung
Für Studienteilnehmer in der Kontrollgruppe entfallen die Besuche 2 und 3.
Die Teilnehmer der Physiotherapiegruppe müssen bereit sein, während der Zeit zwischen erster Behandlung und Abschlussuntersuchung das Training an 6 Tagen die Woche selbständig durchzuführen.
Herzlichen Dank an den Förderverein für HSP-Forschung
- Für die finanzielle Förderung
- Für die wiederholten Studienaufrufe
- Für die vielfältige Unterstützung bei der Entwicklung der Fragebögen,
der Internet-basierten Umfrage, …
Patienten mit Interesse an einer Studienteilnahme wenden sich bitte an:
Prof. Dr. Ludger Schöls oder
Frau Elke Feil
Neurologische Klinik und
Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung
Hoppe-Seyler-Str. 3
72076 Tübingen
Tel. 07071 29 82057
Fax: 07071-294254
Email: Elke.Feil@med.uni-tuebingen.de