Erster Zwischenbericht zu dem Projekt von Herrn Prof. Dr. Ludger Schöls

Zwischenbericht zu dem Projekt: „Physiotherapie bei HSP“

4. Februar 2015

Seit dem Herbst letzten Jahres läuft das vom Förderverein für HSP-Forschung geförderte Projekt „Welche Physiotherapie hilft bei HSP?“ Das Projekt hat das Ziel, ein spezifisch auf die HSP ausgerichtetes Physiotherapiekonzept zu entwickeln und seine Überlegenheit gegenüber der Standardbehandlung zu belegen. Hierzu galt es zunächst ein optimales Physiotherapiekonzept für die HSP zu entwickeln. Hierfür wollten wir auf die Erfahrungen von HSP-Betroffenen zurückgreifen. Zusammen mit Frau Susanne Koch, die von physiotherapeutischer Seite das Projekt leitet, haben wir einen Fragebogen entworfen, der sowohl die positiven als auch die negativen Erfahrungen von Patienten und Therapeuten abfragt. Der Fragebogen wurde vom Forum Ge(h)n mit HSP und der HSP-Selbsthilfegruppe an die ihre Mitglieder verteilt. Wir haben bis Ende November von mehr als 150 Patienten und Therapeuten Rückmeldung erhalten. Vielen Dank hierfür an alle, die sich beteiligt haben. Das ist eine eindrucksvoll große Zahl, die es uns erlaubt auf einer sehr repräsentativen Erfahrungsbasis ein Konzept zu entwickeln.

Die noch laufende Auswertung der Fragebögen zeigt schon jetzt, dass die Bandbreite an durchgeführten therapeutischen Maßnahmen sehr groß ist und dass es bisher keine eindeutig „beste Strategie“ gibt. Erkennbar ist, dass HSP-Betroffene häufig mit ähnlichen Problemen und Einschränkungen zu tun haben. Insbesondere reduzierte Gehgeschwindigkeit, Stolpern und Gangunsicherheit sind wiederkehrende Probleme, die aber beim Einzelnen in ganz unterschiedlicher Gewichtung vorliegen. 80% der Befragten müssen täglich Treppenstufen gehen, d.h. der Alltag erfordert eine hohes Maß an Mobilität. Die Hälfte aller Befragten berichten, dass sie im letzten Monat gestürzt seien. Glücklicherweise kam es bei diesen Stürzen in der Regel (80%) nicht zu Verletzungen. Allerdings verdeutlicht dies die Notwendigkeit eines gezielten Trainings zur Prophylaxe und zum Erhalt bzw. zur Verbesserung der Mobilität.

97% der Befragten haben regelmäßig Physiotherapie. Die Häufigkeit der Übungen variierte deutlich von einmal pro Woche bis zu täglichem Training. Davon gaben 60% an, dass sie regelmäßig, 2-3 Mal pro Woche, Dehnungs-, Kraft- und Ausdauerübungen gemeinsam mit einem Therapeuten durchführen. Weitere 50% trainieren mit dem Therapeuten ihr Gleichgewicht. 55% der Befragten trainieren zusätzlich zur physiotherapeutischen Behandlung mehr als 4 Mal pro Woche mit einem Eigentrainingsprogramm.

Ein immer wieder auftretender Kritikpunkt an der momentanen Physiotherapie war die mangelnde Erfahrung der Therapeuten mit der HSP und die häufig überwiegend passiven Maßnahmen in der Behandlung. Dies zeigt, wie wichtig die Entwicklung und Überprüfung eines Leitfadens zur Behandlung der HSP ist. In Anbetracht der individuell stark wechselnden Schwerpunkte im Beschwerdebild ist das Ziel unserer Studie, ein modulares Therapiekonzept zu entwickeln, bei dem aus den verschiedenen Modulen die jeweils für den einzelnen Patienten geeignetsten Übungen ausgewählt werden können, der folgerichtige Schritt.

Von Ende Oktober bis Ende November 2014 haben wir diese Physiotherapiemodule in unterschiedlicher Gewichtung mit drei Pilotpatienten erprobt. Die Betroffenen hatten sehr unterschiedliche Beschwerden und Einschränkungen. Die Gehfähigkeit variierte von kilometerweitem freiem Gehen bis zur Stützbedürftigkeit am Rollator; teilweise bestand eine einschießende Spastik oder erhebliche kontrakte Beweglichkeitseinschränkung mit oder ohne lange bestehende Schmerzproblematik.

Jeder Betroffene wurde zunächst an drei und zwei Wochen später noch einmal an zwei Tagen in Tübingen behandelt. Zusätzlich wurde für jeden Probanden ein individuelles bis zu zweistündiges Programm für das Eigentraining erstellt, bei dem die Patienten häufig an ihre Leistungsgrenze gestoßen sind. Wir möchten uns hiermit noch einmal für die tolle Zusammenarbeit und die Geduld der Pilotpatienten bedanken. Es hat sich während dieser Pilotphase gezeigt, dass es möglich ist, mit kleinen Variationen (z.B. mit oder ohne Festhalten für Kraft- oder Gleichgewichtstraining) eine Standardphysiotherapie aus dem Baukasten zu erstellen, welche bei allen drei Betroffenen zu einem deutlichen Trainingseffekt führte. Der Erfolg hing hierbei deutlich davon ab, wie sehr die Betroffenen im Eigentraining bereit waren, sich tatsächlich bis an die Leistungsgrenze zu belasten.

Derzeit erfolgt die detaillierte Auswertung aller Daten, die in der klinischen Untersuchung und bei der computergestützten Bewegungsanalyse sowie mit den Fragebögen erhoben wurden. Erste Ergebnisse stimmen jedoch optimistisch: So konnte uns eine Patientin bereits nach dem ersten Übungsblock von einer deutlichen Spastikreduktion in den Morgenstunden berichten, d.h. sie kam „morgens schneller in die Gänge“. Ebenso war die Falltendenz nach hinten so vermindert, dass kurze Strecken spontan auch ohne Festhalten möglich waren. Auch konnte sie sich wieder auf den Boden hinunter beugen, um einen flachen Gegenstand aufzuheben, was davor lange Zeit nicht mehr für sie machbar war.

Wir lernten in der gemeinsamen Zeit viel voneinander, insbesondere zeigte sich, dass das Eigentraining einen viel höheren Stellenwert zu haben scheint als zweimal pro Woche eine halbe Stunde Physiotherapie mit ausschließlichen Dehnübungen im Liegen.

Derzeit führen wir die Erfahrungen mit den Pilotpatienten und die Ergebnisse der verschiedenen Verlaufsuntersuchungen zusammen und erstellen mit diesen Kenntnissen den endgültigen Therapieplan. Vorrausichtlich können alle Vorbereitungen bis Ende März abgeschlossen werden, so dass Anfang April die eigentliche Studie starten kann. Wer daran teilnehmen will, kann sich gerne unter der u.g. Adresse melden. Noch sind genügend Plätze frei!

Um keine zu uneinheitliche und dann letztlich nicht mehr vergleichbare Patientengruppe zu untersuchen, müssen von Teilnehmern neben der Diagnose einer HSP folgende Einschlußkriterien erfüllt werden:

  • Erhaltene Gehfähigkeit (ggf. auch am Rollator) für 100m in weniger als 3 Minuten
  • Keine Behandlung mit Botulinumtoxin oder eine Funktionellen Elektrostimulation in den letzten 3 Monaten
  • Schriftliches Einverständnis zu dieser randomisierten (zufällig zugeordneten) Untersuchung, bei der nur die Hälfte der Teilnehmer das Tübinger Spastiktherapiekonzept erhält und die andere Hälfte ihre bisherige Behandlung unverändert fortsetzt.

Für die Studie sind 5 Besuche in Tübingen erforderlich

  1. Ausgangsuntersuchung mit anschließender Randomisierung also Zuordnung zur Physiotherapiegruppe oder Standardkontrollgruppe
  2. Erste Behandlungsphase (3 aufeinanderfolgende Tage in Tübingen) ein bis zwei Wochen nach der Ausgangsuntersuchung
  3. Zweite Behandlungsphase (2 aufeinanderfolgende Tage in Tübingen) zwei Wochen nach der ersten Behandlung
  4. Abschlussuntersuchung 10 Wochen nach der ersten Behandlung
  5. Untersuchung für Langzeiteffekte: 6 Monate nach der ersten Behandlung

Für Studienteilnehmer in der Kontrollgruppe entfallen die Besuche 2. und 3.

 

Interessierte wenden sich bitte an:

Prof. Dr. Ludger Schöls

Neurologische Klinik und
Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung
Hoppe-Seyler-Str. 3
72076 Tübingen

Anmeldung bitte bei der Studienassistentin Frau Feil unter Tel. 07071 29 85711 (Mo-Fr von 9:00 bis 13:00)
Fax: 07071-294254
Email: Ludger.Schoels@uni-tuebingen.de