Vierter Zwischenbericht zum Projekt Nonsensemutationen

 

 

 

 

 

Prof. Dr. Ludger Schöls

Dr. Rebecca Schüle

 
 

Vierter Zwischenbericht

2015 (1. Halbjahr): Eine Hürde – der Nonsense Mediated Decay

Nonsense-Mutationen führen zu einem verfrühten Stopp-Signal in der Boten-RNA. Resultat ist die Bildung von verkürzten Eiweißmolekülen. Diese haben nicht nur häufig nicht die gewünschte Funktion des ‚gesunden’ Eiweißes, sondern können sogar schädliche Auswirkungen auf die Zelle haben. Die Bildung solcher verkürzten Eiweißmoleküle wird daher von einem zellulären Überwachungsmechanismus verhindert, dem sog. Nonsense Mediated Decay (NMD). Durch die Aktivität des NMD wird fehlerhafte Boten-RNA erkannt und abgebaut. So wichtig dieser Mechanismus für die Gesundheit der Zelle ist, so ist er doch für den Erfolg der ‚Nonsense-Therapie’ eher hinderlich. Das Therapieprinzip von PTC124 (Ataluren) und anderen ähnlich wirkenden Substanzen ist es, das Ablesen der fehlerhaften Boten-RNA so zu verändern, dass trotz des Stopp-Signals ein funktionsfähiges Eiweiß gebildet werden kann. Dazu ist aber die Boten-RNA als Bauanleitung für das Eiweiß notwendig. Wird die Boten-RNA durch den NMD abgebaut, kann eine ‚Nonsense-Therapie’ nicht mehr wirken.

Wir haben daher systematisch untersucht, wie sich verschiedene Mutationen in HSP-Genen auf die vorhandene Menge an Boten-RNA auswirken. Dabei haben wir eine vielversprechende Entdeckung gemacht: viele der HSP-Mutationen führen nur zu einem teilweisen Abbau der Boten-RNA durch den NMD. Die verbleibende Boten-RNA ist damit prinzipiell einer ‚Nonsense-Therapie’ zugänglich.

Wir haben auch festgestellt, dass selbst HSP-Betroffene aus derselben Familie große Unterschiede in der Aktivität des NMD aufweisen. So zum Beispiel eine Mutter mit SPG4 Nonsense – Mutation, bei der wir nahezu normale Spiegel an Spastin Boten-RNA nachgewiesen haben; bei ihrem Sohn, der dieselbe SPG4-Mutation trägt, ist die Spastin Boten-RNA weitgehend vom NMD abgebaut. Solche individuellen Unterschiede in der Aktivität des NMD sind auch in der Literatur schon beschrieben worden, aber noch unzureichend verstanden. Für die ‚Nonsense-Therapie’ sind solche Effekte gleichzeitig eine Herausforderung und eine Chance. Zugleich könnte die individuell unterschiedliche Aktivität des NMD auch eine Erklärung sein, warum die ‚Nonsense-Therapie’ Menschen mit anderen Erkrankungen als HSP so wechselhafte Wirkungen zeigt.

Im nächsten Halbjahresbericht werden wir näher darauf eingehen, wie wir versuchen, die HSP in der Kulturschale noch genauer abzubilden.